leonardo@humtec.rwth-aachen.de
Im Herbst 2008 wurde auf Initiative des Senats und dessen langjährigen Vorsitzenden Prof. Dr. Max Kerner das Projekt „Leonardo“ ins Leben gerufen. Nach einer Probephase von rund zwei Jahren war „Leonardo“ ab dem Wintersemester 2010/11 zunächst institutionell und organisatorisch dem Institut für Politische Wissenschaft (IPW) unter der Verantwortung von Prof. Dr. Emmanuel Richter zugeordnet. Seit dem Sommersemester 2020 ist das Projekt dem interdisziplinären Human Technology Center (HumTec) mit Prof. Dr. Stefan Böschen als Rektoratsbeauftragten zugeordnet. Die Geschäftsführung haben seit dem Sommersemester 2022 Lennart Göpfert (M. Sc.) und Sönke Hebing (M. Ed.) inne, seit dem Sommersemester 2023 verstärkt von Alina Cohnen (M. Ed.).
Für das Jahr 2017 wurde das Projekt „Leonardo“ mit dem RWTH Lehrpreis in der Kategorie „Projekt“ für „herausragende und beispielhafte Leistungen im Bereich Lehre“ ausgezeichnet. In Kooperation mit der Karlspreisgesellschaft bietet das Projekt zudem die so genannte „Leonardo“-Lecture an, bei denen die Preisträger große gesellschaftliche Herausforderungen in einem weiten Horizont thematisierten. Zu den Gästen gehörten u.a. der französische Präsident, Emmanuel Macron, Prof. Dr. Timothy Garton Ash, Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio und Prof. Dr. Norbert Lammert.
Jenseits der Fachbereichsgrenzen sollen die Studierenden im Projekt „Leonardo“ durch die gemeinsame, interdisziplinäre Arbeit nicht nur die unterschiedlichen Denkweisen und Ansätze von Disziplinen kennenlernen. Darüber hinaus sollen sie auch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen anderer Fachbereiche und Studienrichtungen der RWTH Aachen ins Gespräch kommen und auf diese Weise ganz konkret die „universitas“ in ihrer ursprünglichen Bedeutung als wissenschaftliche Gemeinschaft erfahren.
Das Projekt „Leonardo“ fördert die Befähigung von Studierenden, ihr fachspezifisches Wissen in einem weiteren Kontext zur Bewältigung globaler und gesellschaftlicher Herausforderungen zu nutzen und so verantwortungsbewusst Probleme zu lösen. Dazu gelten drei fundamentale Prinzipien:
In der Vermittlung dieser Befähigung sieht sich das Projekt dem Grundsatz exzellenter Lehre verpflichtet: Im Mittelpunkt des Handelns stehen die Studierenden und ihr Erkenntnisgewinn.
Um Interdisziplinarität zu sichern, übernehmen Personen aus unterschiedlichen Fachbereichen der Hochschule gemeinsam die Verantwortung für Lehrveranstaltungen. Besondere Bedeutung hat dabei, dass nicht die unterschiedlichen Fachinhalte und -kulturen nicht nur koexistieren, sondern vielmehr im Gespräch konstruktiv integriert werden.
Interdisziplinarität bezieht sich nicht nur auf die Art von Inhalten, mit denen Studierende konfrontiert werden, sondern auch auf das Erleben der Studierenden im Austausch mit Studierenden und Dozierenden anderer Fachrichtungen, der im Rahmen unserer Lehrveranstaltungen angeboten wird.
Die Verantwortung von Wissenschaft spiegelt sich in allen Lehrveranstaltungen wider. Dazu ist die Arbeit stets an einer ganzheitlichen wie allparteilichen Betrachtung relevanter Themen ausgerichtet. Bewusst wird von Studierenden eingefordert, sich begründete Meinungen zu bilden: Sachorientiert und differenziert, auf Basis des Wissens und der Kompetenzen, die sie im Studium erlernen.
Besondere Bedeutung hat dabei das System der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen. In diesem Rahmen werden globale Herausforderungen aufgezeigt und alle Themen richten sich an den Problemen aus, die durch die SDGs als relevant und in besonderer Weise als lösungsbedürftig ausgezeichnet werden.
Die Idee von Teilhabe auf die Inhalte des Projekts bezogen bedeutet, dass bewusst darauf verzichtet wird, Fachkenntnisse und Vorwissen vorauszusetzen. Lehrveranstaltungen sollen möglichst keine Barrieren aufweisen. Dort, wo in gewissem Rahmen Fachkenntnisse oder Hintergründe notwendig sind, um komplexere Zusammenhänge zu verstehen, werden solche im Rahmen der Lehrveranstaltungen bereitgestellt.
Gleichzeitig bedeutet Teilhabe auch die positive Freiheit, an „Leonardo“-Veranstaltungen teilzuhaben: Auch wer ein Studium in Regelstudienzeit abschließen möchte und sich nebenher engagiert, sollte im Rahmen des Studiums die Möglichkeit haben, sich mit Inhalten des Projekts auseinanderzusetzen.
Ein zentrales Kennzeichen der „Leonardo“-Lehrveranstaltungen besteht darin, dass – üblicherweise zwei – Dozierende aus unterschiedlichen Wissenschaftskulturen eine Lehrveranstaltung anbieten, die auf eine gesellschaftliche Herausforderung fokussiert ist und sich an Studierende aller Fakultäten richtet. Ziel ist es, unter wissenschaftlicher Leitung ein Leitthema interdisziplinär zu diskutieren und sowohl Studierende als auch Dozierende aus verschiedenen Disziplinen zusammenzubringen. Darüber hinaus haben auch studentische Eigeninitiativen seit einiger Zeit die Möglichkeit, eine „Leonardo“ Veranstaltung mitzugestalten. Bisher wurden beispielsweise zu den Themen Energie, Klimawandel, Weltbevölkerung und -gesundheit, Flucht und Migration, Kultur, Medizintechnik, Sustainable Development Goals, Human Animal Studies oder Fake News Lehrveranstaltungen angeboten. Eine vollständige Auflistung finden Sie hier.
Der Name des Projekts erinnert an den großen Künstler, Naturforscher und Techniker Leonardo da Vinci, dem Universalgenie der Renaissance, verweist aber zugleich auf den Philosophen Jürgen Mittelstraß, der den Begriff der „Leonardo-Welt“ geprägt hat. Dieser Begriff charakterisiert unsere Gegenwart als Verbindung von theoretischem Wissen und technischem Können. So sieht sich die Leonardo-Welt mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, denen nur im Verbund der unterschiedlichen Herangehensweisen und Disziplinen der Natur- und Ingenieur-, Geistes- und Sozialwissenschaften begegnet werden kann.
In ihrem Zukunftskonzept „The Integrated Interdisciplinary University of Science and Technology. Knowledge. Impact. Networks.“ hat sich die RWTH genau diese Aufgabe der interdisziplinären Weiterentwicklung gestellt. Das Projekt „Leonardo“ versteht sich dabei als ein Baustein. Deshalb wurde es jüngst zu einer zentralen Säule im Human Technology Center gemacht, welches sich als Plattform für die Gestaltung einer integriert-interdisziplinären Wissenschaftskultur an der RWTH versteht.